VEIT LINDAU, LAURA SEILER, SABRINA FOX & KAJA ANDREA
Spiritualität & Politik
Wenn wir uns anschauen, was in der Welt passiert. Seien es die starke rechtsradikale Bewegung im eigenen Land und in ganz Europa, die Tötung Tausender von Menschen, von Kindern in Kriegsgebieten, die Auswirkungen des Klimawandels, oder die Stellung der Frauen in der Gesellschaft und die Bedeutung des weiblichen Körpers.
Dann können wir Spiritualität nicht länger nur in unserer eigenen kleinen Welt praktizieren, sondern dann müssen wir das, was wir auf unserer spirituellen Reise gelernt und erfahren haben, mit der großen Welt da draußen teilen.
Dazu möchten wir mit euch vier Statements von Teachern und Autoren teilen, die uns bei Wrage in den letzten Jahren immer wieder wertvolle Impulse und Perspektiven geschenkt haben: Veit Lindau, Laura Malina Seiler, Sabrina Fox und Kaja Andrea.
IMPULS VON VEIT LINDAU
Es ist höchste Zeit, dass wir Menschen in der psychospirituellen Szene die wertvollen Erkenntnisse, die wir seit Jahrzehnten auf unseren inneren Reisen gewonnen haben, aktiv und konkret mit der Welt teilen. So wie es Aktivist*innen manchmal an der Innenschau fehlt, verpissen wir uns manchmal in unsere (nur scheinbar) heilen inneren Dimensionen. Eine reife Spiritualität ist integral. Sie schließt die Gesellschaft nicht aus, sondern begreift sie als unsere Erweiterung. Eine reife Spiritualität ist ein gelebtes Paradox. Wir können sehr wohl die Einheit aller Dinge und die Vollkommenheit jenseits der Formen erfahren UND uns in der Welt der Formen klar zu positionieren. Zum Beispiel, in dem wir Grenzen gegen Rechts ziehen oder bei den Wahlen sehr bewusst die Partei wählen, die vielleicht nicht perfekt, aber noch am besten unsere Werte reflektiert.
Was können wir konkret machen?
1. Sich ausführlich mit dieser Partei und ihrem Gedankengut beschäftigen.
2. Wählen, wählen, wählen.
3. An Demonstrationen teilnehmen.
4. In Beziehungen und Öffentlichkeit klar kommunizieren und auch Grenzen setzen.
Weitere Infos zu Veit Lindau: https://veitlindau.com
IMPULS VON LAURA MALINA SEILER
Aus aktuellen Anlass möchte ich zum Thema »rassistische Äußerungen« ein paar Gedanken mit euch teilen.
Mir persönlich zerreißt es das Herz, solche Äußerungen zu hören. Menschen zu sehen, zu hören, die solche Dinge sagen. Und die keine Ahnung haben, was sie damit anrichten, wie sie damit andere Menschen verletzten, anderen damit Angst machen. Und wie zerstörerisch das ist. Ich toleriert Rassismus in keinster Art und Weise. Niemals.
Ich versuche zwar zu verstehen, was es in Menschen ist, dass sie andere Menschen so ablehnen, aber ich finde es extrem schwer nachvollziehbar, dass Menschen rassistische Äußerungen von sich geben. Ich glaube, dass Menschen mit einem kleinen, gekränkten Ego, verletzten Ego, andere runtermachen müssen, andere schlecht machen müssen, um sich selber hervorzuheben.
Dabei ist die Lösung noch nie für irgendetwas in der Welt Hass gewesen. Für nichts. Niemals. Das heißt, in dem Moment, in dem jemand Hass wählt, und Rassismus ist Hass, haben wir ein Problem, weil es immer zum riesigen Konflikt führen wird.
Was können wir da machen?
Der erste ist natürlich, dass es wichtig ist, dass man dagegen aufsteht. Dass man nicht nur hinguckt und denkt: »Wieder mal ein paar Nazis.« Nimmt so etwas nicht hin. Das ist nicht okay, sondern das ist die unterste menschliche Schublade. Seid achtsam. Seid bewusst. Sagt klar, dass es nicht okay ist. Denn es ist gefährlich und verletzend, und im Kern einfach so falsch.
Schreibt den Menschen, die von solchen Aussagen betroffen sind, dass ihr sie seht, dass ihr sie liebt und dass ihr für sie da seid. Und dass ihr euren Mund aufmacht. Dass ihr was sagt. Dass ihr das nicht einfach hinnehmt.
Und natürlich geht wählen. Nutzt eure Stimme.
Ich glaube, in den nächsten Jahren wird es sehr, sehr viel Zivilcourage brauchen in unserem Land, damit wir da wieder auf einen grünen Zweig kommen.
Und ich glaube, es ist absolut notwendig und wichtig, dass wir gerade in Deutschland alle sehr wach sind für das, was gerade passiert. Dass wir da nicht zugucken, sondern dass wir verstehen, dass es wichtig ist, da etwas zu sagen.
Denn dort, wo Liebe wohnt, hat Hass keinen Platz.
Weitere Infos zu Laura Seiler: https://lauraseiler.com
IMPULS VON SABRINA FOX
Stellung beziehen und trotzdem zuhören. Das ist eine Balance, die Aufmerksamkeit erfordert. Ich war früher sehr rechthaberisch. Ich musste lernen, interessiert zuhören. Begreifen, dass ich vieles nicht wirklich beurteilen kann, und ich erkannte, dass jede und jeder das Leben durch seine eigene Brille sieht.
Eine der höchsten spirituellen Aufgaben ist es, nicht zu beurteilen. Dinge so zu akzeptieren, wie sie gerade sind. Sie nicht zwangsläufig als »falsch« einzuordnen, sondern anzuerkennen, dass wir eine entwickelnde Spezies sind, die hier auf diesem wunderbaren Planeten unser Miteinander erschaffen.
Das bedeutet allerdings nicht, dass wir uns nicht einbringen sollen. Es braucht unseren Einsatz, unsere Worte und unsere Taten. Eben auch, damit Gewalt, Aggression, Hetzerei und Falschaussagen nicht weiter wuchern können. Wir haben eine Stimme. Doch wie benutzen wir sie? Bringen wir in das gemeinsame Feld Respekt, Klarheit, Entspannung und wenn notwendig ein klares Nein oder stacheln wir an, wühlen wir auf? Sind wir fokussiert auf Probleme oder gilt unser Interesse den Lösungen? Wen wir wählen, ist da von entscheidender Bedeutung.
Wir leben in einem Land, in dem wir über das politische System wirklich abstimmen können. Wir können wählen – ohne um unser Leben fürchten zu müssen. Das ist, wie wir wissen, nicht überall gegeben. Menschen sterben deswegen oder gehen für den Erhalt dieses Rechts ins Gefängnis.
Und auch deswegen gehe ich immer zur Wahl.
Weitere Infos zu Sabrina Fox: https://sabrinafox.com
IMPULS VON KAJA ANDREA
Geht Spiritualität und Politik zusammen? Und wenn ja, wie? Das ist eine der Fragen, die mir schon seit Jahren immer wieder gestellt wird.
Ich glaube, dass Spiritualität, die nicht auch politisch ist, nicht wirklich spirituell ist. Denn: ich glaube, dass politisch zu sein bedeutet, in der Welt zu sein. Das Wort Politik bedeutet in seinem Ursprung »Dinge, die die Stadt betreffen«. Für mich bedeutet es in einer globalen Welt: Dinge, die das Miteinander betreffen. Und die Art und Weise, wie wir miteinander sind, ist für mich auch zutiefst spirituell.
Spiritualität bedeutet für mich eben auch, aktiv am Leben teilzunehmen. Es bedeutet, mich in etwas zu verorten, was größer ist als ich – Natur, das Kollektiv. Und das bedeutet, hinzuschauen, hinzufühlen und im Miteinander zu sein.
Wenn wir in einen Eskapismus gehen – uns zurückziehen, keine Nachrichten mehr schauen, uns nicht mehr mit Dingen beschäftigen, die »low vibe« sind, dann sind wir nicht wirklich in dieser Welt. Wir nehmen nicht wirklich teil. Eskapismus ist ein Privileg, das noch niemanden wirklich weitergebracht hat.
Ich persönlich sehe mich als Teil des großen Ganzen, der Natur, aber eben auch des Kollektivs. Und das bedeutet das eben auch, hinzugucken und laut zu werden und Dinge zu teilen, die vielleicht nicht so comfy sind und gleichzeitig wichtig. Denn Empathie und Widerstand sind ein Power Couple. Wenn sie zusammenkommen, dann entsteht Ermächtigung.
Das bedeutet jetzt nicht, dass wir alle 24 Stunden 7 Tage die Woche uns die News reinziehen müssen. Jeden Tag bewusst 10 Minuten hinzugucken kann reichen. Und zu fühlen, was das, was ich lese oder sehe, mit mir und meinen Gefühlen macht. Wenn wir aufhören zu fühlen, dann verlieren wir unsere Menschlichkeit. Es ist okay, die unangenehmen Gefühle zu fühlen, weil es ist okay, betroffen zu sein und Mitgefühl zu haben. Wenn wir uns da rausziehen, verlieren wir unsere Menschlichkeit. Doch wenn Mitgefühl und Menschlichkeit zusammenkommen, dann entsteht Verbundenheit. Und das ist es, nach dem wir in der Spiritualität streben.
So wie Spiritualität bedeutet: »wo und wie verorte ich mich in der Welt«, bedeutet eben auch Politik: »Wo und wie verorte ich mich in der Gesellschaft«. In was für einer Gesellschaft möchte ich leben? Dadurch, dass ich zum Beispiel in einem weiblichen Körper geboren bin, muss meine Spiritualität auch politisch sein, denn mein Körper wird anders wahrgenommen als der von anderen, und er führt immer noch dazu, dass es Benachteiligung und Gefahr gibt, die für einen männlichen Körper nicht gelten. So wird in Deutschland fast jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet.
Nicht jeder von uns muss eine laute Stimme haben. Wir können entscheiden, wo und wie wir unsere Ressourcen einsetzen. Für eine Person kann es sein, Geld zu spenden, für andere kann es zu sein, ihre Social Media Kanäle zu nutzen, für die nächste kann es sein, Gespräche zu führen mit Menschen, über das, was passiert und wie es uns damit geht. Und vor allem können wir wählen gehen. Es gibt so viel in der Welt, was wir gemeinsam verändern können. Niemand muss es allein tun. Und wir müssen nicht alles ändern.
Doch wir dürfen uns selbst nicht unsere Macht nehmen, indem wir entfliehen. Denn es geht nicht nur um uns – das wäre auch kein spiritueller Ansatz. Es geht um uns alle und diejenigen, die nach uns kommen. Wichtig ist, dass wir miteinander bleiben, denn das macht uns menschlich. Wenn Spiritualität und politischer Aktivismus zusammenkommen, entsteht eine transformative Kraft, die größer ist, als wir es uns vielleicht vorstellen können. Lass sie uns gemeinsam entfesseln und verkörpern.
Weitere Infos zu Kaja Andrea: https://kajaandrea.de