DIE KRAFT UNSERER SPIRITUELLEN WURZELN
Annabelle Wimmer Bakic

Wir alle können es fühlen: Die Sehnsucht in unsere geistigen Wurzeln zurückzufinden, um unsere Gaben vollständig entfalten zu können, wird immer größer. Wir wünschen uns eine tiefere spirituelle Kraft und mehr Magie im Alltag. Aber was ist unsere spirituelle Kraft eigentlich? Annabelle Wimmer Bakic ist eine Expertin für die spirituelle Spurensuche und erzählt uns im Interview, warum dieses scheinbar verloren gegangene Weisheitswissen gerade jetzt so wichtig ist.
Liebe Annabelle, du verstehst dich als universelle Schamanin, was genau bedeutet das?
Universell bedeutet, dass ich keiner spezifischen schamanischen Tradition verpflichtet bin. Durch mein vertieftes Wissen im arktischen und sibirischen Schamanismus, aber auch im Bin, dem Schamanismus des Himalaya, fließen in meine Arbeit die ältesten schamanischen Traditionen der Erde ein. Aber ich arbeite, anders als es im Schamanismus, der mit den Spirits der Erde arbeitet, üblich ist, intensiv mit Lichtwesen und den himmlischen Welten. Und so meint universell auch: weit über die Erde hinaus.
Deine Arbeit bezieht sich auch sehr stark auf unsere europäischen spirituellen Wurzeln. Wie kam es dazu?
Nach meiner Initiationsreise als Schamanin in Grönland habe ich mir die Frage gestellt, woher meine spirituellen Gaben und mein Wissen als Schamanin auf einmal herkommen, denn ich hatte ja zuvor ein ganz normales Leben geführt. Und so habe ich mich auf die Suche in unserer Kultur danach gemacht. Ich bin studierte Archäologin, und da forscht man gerne, kulturell wie auch persönlich. Und so habe ich auch meine Familien- und Ahnengeschichte unter die Lupe genommen und entdeckt, dass eine Vorfahrin mütterlicherseits als Hexe verbrannt wurde. Väterlicherseits kommt meine Familie vom Balkan und auch hier gab es einen Treffer in Bezug auf die Bienenmeisterschaft, eine ganzheitliche spirituelle Heilkunde, die von den Frauen meiner Familie praktiziert wurde. In meinem Buch „Die Spur der Bienen“ berichte ich von dieser Spurensuche nach meinen, nach unser aller spirituellen Wurzeln in Europa, die, wie überall auf der Welt auch, schamanisch sind. Es geht ja um eine tiefere Sichtigkeit und Erkenntnis für die Muster, die Bedeutung der Schöpfung. Und diese magische Sicht auf Natur, die Erde und alle Wesen ist dem Menschen immanent und gehört zu seiner „Grundausstattung“. Von dort aus haben sich die unterschiedlichen spirituellen Traditionen in Europa entwickelt: die Druiden mit ihrer Elementarmagie, die Germanen mit ihrem Schicksalszauber und der Zeitmagie und die Hexen, die für das Thema „Wie lebe ich Magie im Alltag“ stehen.
Wenn wir von Schamanismus sprechen, denken viele oft als Erstes an die Indigenen aus fernen Ländern. Warum sind uns manchmal unsere eigenen europäischen Traditionen nicht so präsent?
Weil unsere eigene schamanische Tradition spätestens seit dem Mittelalter, auch durch die Verfolgung der Kirche, ausgestorben ist und wir keinen Bezug mehr dazu haben. In meiner Arbeit habe ich festgestellt, dass doch viele Ängste hochkommen, wenn wir uns mit unseren spirituellen Wurzeln beschäftigen und unsere spirituellen Gaben und Weisheiten leben. Ängste und Sorgen wie: Werde ich dafür von der Gesellschaft geächtet, darf man damit überhaupt sichtbar werden oder setzt man sich damit Problemen in der Familie und im Umfeld aus. Und ich habe erkannt, dass dieses Thema wie ein kollektives, noch nicht bearbeitetes Trauma über ganz Mitteleuropa hängt und uns alle daran hindert, in unsere persönliche spirituelle Kraft zu kommen. Es ist eine transgenerative Wunde, die über Generationen zurückgeht.
Was genau meinst du damit? Ist es so etwas wie die Hexenwunde?
Transgenerative Wunden meint einfach: über die Vorfahren hinweg. Das können verschiedene spirituelle Wunden und Blockaden sein, wie z.B. die Einschränkung unserer spirituellen Sinne wie Hellsehen, Hellfühlen und Hellwissen. Die Hexenwunde bezeichnet das Unvermögen, Magie zu wirken und Angst vor den eigenen spirituellen Kräften zu haben.
Fühlen Frauen die Hexenwunde stärker als Männer? Sprich, ist für sie das Trauma größer?
Das könnte man so sagen, weil ja durch die Hexenverfolgung gerade die Frauen stark verfolgt wurden. Diese Art von Kriegszug hat sich explizit auch gegen Weiblichkeit und ihren Einfluss gerichtet. Hier gab es viel Angst, Hass und den Willen nach Zerstörung, darum sind Frauen besonders betroffen. Vielleicht würde man heute sagen, dass es sich bei der Hexenverfolgung um einen kollektiven Femizid gehandelt hat. Aber es waren auch die Männer betroffen und diese sollten wir nicht vergessen.
»Spiritualität ermöglicht es uns ganz individuell, von der Hilflosigkeit in die Kraft, von der Wunde in die Heilung, von der Ohnmacht in die Selbstermächtigung und von der Amnesie in die Weisheit zu kommen.«
Warum sind unsere spirituellen Wurzeln gerade in der heutigen Zeit so wichtig? Woran liegt die große Faszination an Magie und Hexen?
In einem individuellen Zeitalter geht es um die Kraft des Einzelnen und um Selbstermächtigung. Es geht darum, wie wir auch in uns die Kraft für Heilung und Empowerment finden können. Gerade heute in dieser Zeitenwende brauchen wir unsere spirituellen Möglichkeiten zurück für eine positive Entwicklung in die Zukunft. Spiritualität ermöglicht es uns ganz individuell, von der Hilflosigkeit in die Kraft, von der Wunde in die Heilung, von der Ohnmacht in die Selbstermächtigung und von der Amnesie in die Weisheit zu kommen. Wohlgemerkt, durch den persönlichen Zugang zur Spiritualität, die Anbindung an die eigenen geistigen Gaben und Fähigkeiten wie die Intuition, das Hellsehen und das Hellwissen, und nicht durch die Religion, die dieser Selbstermächtigung oft skeptisch gegenüber ist.
Die Kraft der Religionen schwindet mehr und mehr, aber die Sehnsucht nach Spiritualität bleibt und wird stärker. Was wir im Außen nicht finden können, müssen wir im Innern finden, weil es uns Kraft, Heilung, Freude und Erfüllung schenkt. Auch wissen wir heute aus den neusten Studien der Hirnforschung und Psychiatrie, dass Spiritualität ein wichtiger Baustein für unsere Gesundheit und Resilienz ist. Aber Spiritualität ist nicht nur ein „Gesundheits- und Wohlfühlfaktor“, es eröffnet uns auch den Zugang zu einem tiefen Weisheitswissen, das den Dingen selbst zugrunde liegt. Damit können wir neu denken lernen und eine neue kreative und schöpferische Zukunft erschaffen, wir lernen anders auf die Erde und ihre Wesen zu blicken und erkennen den Wert jedes Lebewesens. Und können mit Magie unseren eigenen Alltag empowern, vereinfachen und erfolgreich gestalten lernen. Denn das können wir aus dem spirituellen Wissen und den Gaben der Hexen, Druiden und Germanen lernen, wenn wir unsere spirituellen Wurzeln aktivieren und uns direkt anbinden. Es geht also hier nicht um Traumata, sondern um neue Potenziale, die es für uns zu erwecken gilt.
Aber hindern uns die Traumata nicht auch, die neuen Potenziale zu entfalten?
Doch, natürlich. Da, wo das Trauma ist, sitzt der Zugang zu unserem Potenzial. Und wir leben heute in anderen Zeiten, die es uns erlauben, diese Wunde aufzubrechen und einfach weiterzugehen, damit wir unsere Gaben wiederfinden und uns empowern können. Es geht darum, die Angst vor der spirituellen Welt loszulassen, die Furcht vor dem Zugang zur eigenen Spiritualität zu überwinden. Freies spirituelles Denken und Handeln war in Zeiten der Hexenverfolgungen mit Strafen bis zum Tod, mit Verfolgung und Schuldgefühlen belegt. Und all diese negativen Gefühle sowie die Wut darüber tragen wir immer noch in uns, gerade wir Frauen. Sie leben als kollektive Begrenzungen in jedem von uns und verhindern den Zugang zur eigenen Kraft, aber auch die tiefe Verbindung und Hingabe zur Natur und ihrer Weisheit. Die alten Traumata wirken nach.
Früher sind die Frauen rausgegangen und haben z.B. ihre eigene Heilsalbe hergestellt, im Vertrauen in die eigenen Heilkräfte und das persönliche Weisheitswissen. Dieses Vertrauen ist größtenteils verloren gegangen. Und dieser Verlust schneidet uns nicht nur von der Beziehung zur Natur, sondern auch von der eigenen Natur ab. Das heißt, wir spüren uns selbst nicht mehr und wir spüren die Erde nicht mehr. Wir haben keinen Zugang mehr zur Weisheit und den Heilkräften und wissen nicht mehr, wie wir unsere Selbstheilungskräfte aktivieren können. Das müssen wir ändern. Diese natürlichen Kräfte, dieses Vertrauen brauchen wir zurück. Ich möchte ermutigen, dem eigenen Ruf zu folgen, sich selbst und der Natur wieder mehr zu vertrauen.
Wie machen wir das? Was können wir im Alltag machen, um wieder in dieses Vertrauen zu kommen?
Es geht erstmal darum, sich bewusst zu machen, dass alles in uns ist, nichts ist verloren. Diese Gaben und Möglichkeiten können und nicht einfach genommen werden. Es geht um ein neues Vertrauen in sich. Denn wenn Wunden transgenerativ wirken, dann wirken auch Gaben, Fähigkeiten und Wissen transgenerativ. Es ist ein Erinnern, Erforschen und sich dafür öffnen. Diesen Weg kann man entweder alleine beschreiten oder man macht es mit einem Menschen seines Vertrauens – oder mit Büchern, Events, Ritualen, Gathering. Das kann jeder und jede, es geht einfach um eine bewusste Haltung dazu.
LIVE ERLEBEN
Workshops in Hamburg am 6.-8. & 9. Juni 2025: Als Schamanin, Seherin, Archäologin und Spurensucherin verfügt Annabelle Wimmer Bakic über ein tiefes Wissen über uralte Traditionen, Weisheiten und Naturmagie. An diesem Wochenende wird sie gemeinsam mit uns in die magischen Traditionen des alten Europas eintauchen und uns zeigen, wie wir diese erforschen und in uns aktivieren können. Durch unsere Verbindung zu dem keltischen, druidischen Wissen lernen wir die tiefe Bedeutung der Elementar-, Selbstheilungs- und Prozesskräfte des Lebens kennen und nutzen. Die Germanen strotzen vor Kraft, davon können wir profitieren und unser spirituelles Selbstbewusstsein über den Zugang zu unseren Gaben entwickeln. Die Hexen wiederum ermutigen uns, Magie im Alltag zu leben und uns damit vieles möglich zu machen, was sonst nicht möglich wäre.
Der Intensiv-Workshop am Samstag und Sonntag hilft uns dabei, die Zugänge zum keltischen Zauberwissen und zur germanischen Magie zu eröffnen und das Wissen der Naturreligionen in uns zu vertiefen, damit wir in die Kraft der eigenen Natur zurückfinden. Denn wir können die Traumata der Vergangenheit nur überwinden, wenn wir wie ein kraftvoller Baum starke Wurzeln haben, einen breiten Stamm ausbilden und eine lichtvolle Krone entfalten.
Am Montag werden wir uns mit der Kraft und der Magie der Hexen verbinden. Wir tauchen ein in die Weisheit der Natur und ihrer magischen Kräfte, die uns auf dem Weg unseres Herzens und unserer Selbstermächtigung unterstützen. Annabelle wird uns dabei unterstützen, in unsere eigenen magischen Fähigkeiten einzutauchen, unsere spirituellen Wunden zu heilen und unsere Kräfte zu entfalten.